Der Schriftsteller Walter Kaufmann, 1924 in Berlin geboren und 2021 ebendort gestorben, ist heute nur noch wenigen bekannt. Doch sind sein Leben und sein Werk so facettenreich und für Fragen der Gegenwart bedeutsam, dass eine Wiederentdeckung seiner jüdisch-deutsch-australischen Biografie und eine Re-Lektüre seiner Texte geboten sind.
Die Lebensstationen Walter Kaufmanns könnten unterschiedlicher nicht sein: Berlin, wo er geboren wurde, und Duisburg, wo seine jüdischen Adoptiveltern lebten und er aufwuchs; die Grafschaft Kent, in die er 1939 mit einem Kindertransport kam; schließlich Australien, wo er bis 1957 lebte und arbeitete: als Land- und Hafenarbeiter, Seemann und Fotograf. Dort begann er auch, erste journalistische Arbeiten zu veröffentlichen. 1957 folgte schließlich die Übersiedlung in die DDR, für deren Handelsmarine er zunächst erneut durch die Welt zog, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete, aber weiterhin zahlreiche Länder bereiste und darüber für Zeitungen, Zeitschriften und Verlage der DDR schrieb.
So vielseitig wie sein Leben ist auch das Werk von Walter Kaufmann, das er größtenteils auf Englisch schrieb: Romane und Kurzgeschichten, die die Verfolgungsgeschichte der Jüdinnen und Juden in Deutschland aufarbeiten, im Stil der Short-Story verfasste Erzählungen über unterdrückte Minderheiten, Berichte und Reportagen über Australien, Großbritannien, Irland, Israel, Japan und vor allem die USA. Viele dieser Themen verarbeitete Kaufmann auch in seinen Kinder- und Jugendbüchern.
In dem zweitägigen, international besetzten Workshop wird erstmals diesem vielschichtigen Leben und Werk nachgegangen. In Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Handschriften und Historische Drucke wird es zudem eine Einführung in seinen Nachlass geben und die Filmemacher*innen Karin Kaper und Dirk Szuszies stellen im Kino Acud ihren Dokumentarfilm »Walter Kaufmann. Welch ein Leben!« (2021) vor.
Programm:
Montag, 16. Juni
13.30 Uhr Begrüßung und Einführung
14.00-16.00 Uhr Panel I: Biografische Annäherungen an Walter Kaufmann und historische Kontexte I
Ludger Joseph Heid (Duisburg): Briefe an Walter Kaufmann 1939-1943 – Traumatisierung durch Trennung
Amy Williams (Nottingham/GB): Journeys on and beyond the Kindertransport: Walter Kaufmann’s travels (Vortrag auf Englisch)
Bill Niven (Nottingham/GB): Die Darstellung Englands in Kaufmanns autobiographischen Werken
16.00 Uhr Kaffeepause
16.30-18.00 Uhr Panel II: Biografische Annäherungen an Walter Kaufmann und historische Kontexte II
Helga Schreckenberger (Vermont/USA): Deutsch-jüdische Flüchtlinge im australischen Internierungslager Camp Hay: Herausforderung und Chance
Alexandra Ludewig (Perth/Australien): Walter Kaufmann in Australien
19.15 Uhr Kino Acud (Eintritt: 9 €, ermäßigt 7 €)
„Walter Kaufmann. Welch ein Leben!“ (2021) Filmvorführung und anschließendes Gespräch mit Karin Kaper und Dirk Szuszies
Dienstag, 17. Juni
10.00-11.00 Uhr Der Nachlass von Walter Kaufmann (Ort: Staatsbibliothek zu Berlin)
Dr. Gabriele Kaiser, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Handschriften und Historische Drucke
11.45-13.00 Uhr Panel III: Die DDR als Publikationsort (Ort: Literaturforum im Brecht-Haus)
Andreas Degen (Potsdam): Walter Kaufmanns Ankommen in der Literatur der DDR
Ulrike Schneider (Potsdam): Walter Kaufmann in der Zeitschriftenlandschaft der DDR
14.00-16.00 Uhr Panel IV: Gattungsübergreifendes Schreiben – Einblicke in das schriftstellerische Werk
Charlotte Misselwitz (Berlin): „Reisen ins Gelobte Land“: Walter Kaufmanns Reportage über Israel
Yvonne Delhey (Nijmegen/NL): Literatur zwischen den Fronten: Walter Kaufmanns Amerika-Reportagen vor dem Hintergrund der Debatten um den sozialistischen Realismus in den 1960er Jahren
Carola Hähnel-Mesnard (Lille/F): Walter Kaufmanns Kinderbücher
16.15 Uhr Ausblick und Fazit
ORT: Literaturforum im Brecht-Haus (Chausseestraße 125, 10115 Berlin-Mitte)
Konzeption und Organisation:
Dr. Ulrike Schneider (Universität Potsdam)
Prof. Dr. Carola Hähnel-Mesnard (Université de Lille, Laboratoire Alithila)
In Kooperation mit dem Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft der Universität Potsdam, der Université de Lille (Laboratoire Alithila), dem Literaturforum im Brecht-Haus und der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Handschriften und Historische Drucke.
Der Workshop wird gefördert vom DFG-Projekt Jüdisches Filmerbe (SPP Jüdisches Kulturerbe).